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Polizisten sind keine Verteidiger

Ein Beschuldigter ist zur Vernehmung bei der Polizei geladen und ruft mich deswegen an. Er möchte wissen, wie er sich denn nun verhalten soll. So rechtzeitig macht das längst nicht jeder: Oft ist das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und schon Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, wenn der Gedanke aufkommt, sich anwaltlich verteidigen zu lassen. Dann sind nicht selten viele Möglichkeiten verpasst, auf das Verfahren sinnvoll einzuwirken.
Ich schlage dem Anrufer einen Termin zur Besprechung vor und weise darauf hin, welche Kosten hierfür anfallen; er möchte nocheinmal darüber nachdenken und wieder anrufen.
Ergebnis der Bedenkzeit: Er geht lieber ohne anwaltlichen Rat zur Polizei und werde mal schauen, was passiert. Die Polizisten machen bestimmt auch so das Richtige; ansonsten werde er nochmal anrufen.
Diese Bedenkzeit hätte man sinnvoller nutzen können.

Not macht erfinderisch – auch bei der Polizei.

Die Geldnot staatlicher Einrichtungen macht sich jetzt auch bei den einfachsten polizeilichen Ermittlungshandlungen bemerkbar.
In einer Akte lese ich, dass der zuständige Staatsanwalt die Polizei angewiesen hat, einen Damenschuh (das Tatwerkzeug) zu wiegen. Die Polizei befindet sich in einer deutschen Großstadt. Eine Waage besitzt man hier dennoch nicht. Was also tun? Der findige Polizist weiß sich zu helfen. Er packt den Schuh ein, und unternimmt eine Dienstreise in die Obst- und Gemüseabteilung des nächsten Lebensmitteldiscounters und benutzt die dortige Waage für seine Diensthandlung. Leider ergibt sich aus der Akte nicht, ob der Damenschuh als Banane oder eher Frühkartoffeln abgewogen wurde; das praktische Schildchen, das die Waage ausdruckt, befindet sich nicht in der Akte.